Altersgerechte Mobilstation in Zwickau-Marienthal

Eine Mobilitätsstation auf einem Platz mit Sitzgelegenheit.
Quelle: Stadt Zwickau

Ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbes „Zu Hause unterwegs. Mobil in ländlichen Räumen" (2024) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Was ist die altersgerechte Mobilstation in Zwickau-Marienthal?

Die Mobilstation in Zwickau-Marienthal entstand aus dem Forschungsprojekt ZED (Zwickauer Energiewende demonstrieren) heraus in enger Zusammenarbeit mit den Stadtteilbewohnerinnen und -bewohnern und lokalen Stakeholdern. Ziel dieses Vorhabens ist es, nachhaltige Mobilitätslösungen zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort zugeschnitten sind.

Zwickau-Marienthal ist eine typische Großwohnsiedlung aus den 1960er Jahren. Die verkehrliche Erschließung erfolgt über kleinteilige Zufahrtsstraßen, die in die jeweiligen Straßenblöcke verzweigen. Entlang aller Straßen kann sowohl im Straßenraum als auch auf Parkplätzen geparkt werden. Der öffentliche Personennahverkehr erschließt das Wohngebiet nicht direkt, sodass die Menschen vor Ort längere Wege außerhalb der Siedlung in Kauf nehmen müssen. Erschwerend kommt die Hanglage hinzu, durch die teils erhebliche Höhenunterschiede bewältigt werden müssen. Dies beeinträchtigt insbesondere die Fußläufigkeit und erschwert den Zugang zu verschiedenen Bereichen der Siedlung.

Die Siedlung ist durch eine hohe Bevölkerungsdichte älterer Menschen geprägt, 35,9 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner sind über 65 Jahre alt. Der Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln und die Abhängigkeit von externen Mobilitätsdiensten wie Taxis und Pflegediensten erschwert den Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner erheblich. Um diese Probleme zu lösen, wurde ein Projekt initiiert, das nachhaltige und barrierefreie Mobilitätslösungen entwickelt und die Lebensqualität der Menschen verbessert.

Welche Ziele werden mit der altersgerechten Mobilstation in Zwickau-Marienthal verfolgt?

Der Ansatz trägt wesentlich zu den städtischen Zielen in den Bereichen Stadtentwicklung und Klimaschutz bei, indem es eine altersgerechte Quartiersentwicklung fördert, die Nahmobilität sichert und nachhaltige Mobilitätsformen unterstützt. Das Angebot trägt maßgeblich zur Reduktion der Pkw-Nutzung in verschiedenen Bereichen bei. Die Mobilstation motiviert nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner, von privaten Fahrzeugen auf gemeinschaftlich genutzte Verkehrsmittel umzusteigen, sondern verringert auch die Notwendigkeit für die Nutzung externer Mobilitätsdienste wie Taxis, Busshuttles oder Angebote von Pflegediensten. 

Durch die gemeinschaftliche Nutzung der Fahrzeuge sinkt der individuelle Bedarf an E-Scootern oder E-Lastenrädern, was den Flächenbedarf sowohl vor als auch in Wohngebäuden reduziert. Darüber hinaus fördert dieses Konzept die Selbstständigkeit der Menschen vor Ort und ermöglicht es ihnen, länger selbstbestimmt in ihrem Wohnumfeld mobil zu bleiben. Dies eröffnet neue Perspektiven und Freiheiten, auch im hohen Alter, in dem Mobilität oft eingeschränkt ist.

Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?

Zur Umsetzung des Vorhabens werden die Anwohnerinnen und Anwohner in einem partizipativen Ansatz durch Workshops und Bürgerveranstaltungen direkt in die Entwicklung der innovativen Lösungen eingebunden. Zentraler Baustein des Projektes ist die Implementierung altersgerechter Mobilstationen, die den stationsbetriebenen, aber auch dezentralen autonomen Verleih altersgerechter E-Scooter umfassen. Diese Angebote sind speziell auf die Anforderungen älterer und mobilitätseingeschränkter Menschen abgestimmt, um deren Mobilität im Quartier zu verbessern und somit die Lebensqualität nachhaltig zu erhöhen.

Die Umsetzung des Projekts im Stadtteil Marienthal von Zwickau stieß auf mehrere Herausforderungen und Schwierigkeiten, die im Verlauf des Projekts bewältigt werden mussten.

  1. Finanzierung und Wirtschaftlichkeit: Ein zentrales Problem war die finanzielle Nachhaltigkeit. Eine direkte Bezahlung durch die Nutzerinnen und Nutzer war während der Projektlaufzeit nicht möglich, was zu Fragen der Refinanzierung nach Projektende führte. Die hohen festen Kosten der Mobilitätsstation und der autonomen Boxen stellten im Vergleich zu etablierten app-basierten Diensten eine Herausforderung dar.
  2. Technische und strukturelle Herausforderungen: In der frühen Phase mangelte es an ausreichenden Park- und Lademöglichkeiten sowie an Buchungs-, Zahlungs- und Unterstützungssystemen für die E-Scooter. Zudem fehlten valide Informationen über Bewegungsmuster und Mobilitätsbedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner, was die Entwicklung passender technischer Lösungen erschwerte.
  3. Partizipative Einbindung und Akzeptanz: Die Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer in den Entwicklungsprozess stellte eine weitere Herausforderung dar. Verschiedene Beteiligungsformate wurden genutzt, um sicherzustellen, dass Rückmeldungen und Bedürfnisse in die Entwicklung einflossen. Dies erforderte wiederholte Anpassungen und iterative Schleifen, um die Akzeptanz der neuen Mobilitätsangebote zu gewährleisten.
  4. Soziale und demografische Faktoren: Marienthal ist ein Stadtteil mit überwiegend älterer Bevölkerung, was spezifische Anforderungen an die Mobilitätslösungen stellte. Die Lösungen mussten besonders nutzerfreundlich und zugänglich sein. Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Kohäsion und des Gemeinschaftsgefühls waren ebenfalls notwendig.
  5. Operationalisierung und Skalierbarkeit: Die strikte Begrenzung der Ausleih- und Rückgabezeiten für die E-Scooter schränkte Nutzungsmöglichkeiten ein. Die Erweiterung der Öffnungszeiten war aufgrund hoher Personalkosten herausfordernd. Ein autonomes digitales Ausleihsystem wurde entwickelt, um die Mobilitätsangebote rund um die Uhr verfügbar zu machen, was kontinuierliche Verbesserungen erforderte.
  6. Marktentwicklung und Netzwerkerweiterung: Für den langfristigen Erfolg war die Schaffung eines Marktes und die Einbindung weiterer Standorte entscheidend. Ein Netz von Mobilitätspunkten sollte sicherstellen, dass die Angebote breit genutzt werden konnten. Dies erforderte die Integration der Projektergebnisse in städtische Mobilitätskonzepte.

Trotz dieser Herausforderungen konnte das Projekt durch einen partizipativen und nutzerorientierten Ansatz wichtige Erkenntnisse gewinnen und innovative Lösungen entwickeln, die den Bedürfnissen der älteren Bevölkerung und den Zielen der Nachhaltigkeit gerecht wurden. Die langfristige Etablierung solcher Mobilitätsangebote erfordert jedoch eine kontinuierliche Anpassung und Sicherstellung der finanziellen Tragfähigkeit über die Projektlaufzeit hinaus. 

Mobilitätsstationen
Quelle: Bildkraftwerk / Laurin Schmid
Icon Maßnahme

Mobilitätsstationen bündeln Fahrradverleih, Carsharing und ÖPNV-Haltepunkte und ggf. weitere Mobilitätsangebote an einem Standort und ermöglichen einen bequemen Wechsel zwischen den Verkehrsmitteln.

Mobilitätsstationen in der KielRegion – Pilotstandort Wankendorf
Mobilitätsstation: Rad+BUS mobilSTation Mettingen
Mobilitätsstation Werther (Westfalen)
Icon Beispiele aus der Praxis

Der alte Busbahnhof Werther wurde durch eine barrierefreie Mobilitätsstation ersetzt. Diese verknüpft verschiedene Verkehrsmittel und bietet ein umfangreiches, flexibles und nachhaltiges Mobilitätsangebot.

Seniorenbeteiligung
Hilfen zur Umsetzung

Seniorenbeteiligung

Icon Hilfen zur Umsetzung

Mit der Beteiligung von Seniorinnen und Senioren sollen spezifische Mobilitätsbedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe angemessen berücksichtigt und ein attraktives Mobilitätsangebot geschaffen werden.

Stadt Zwickau, 2024.