
Ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbes „Zu Hause unterwegs. Mobil in ländlichen Räumen" (2024) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Was ist LandMobil im Landkreis Reutlingen?
Mobilitätskonzepte in ländlichen Räumen stehen oftmals vor der Herausforderung, sowohl den Anforderungen der Wirtschaft in nachfrageschwachen Regionen als auch den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden.
LandMobil ist ein innovatives Projekt, welches für zukunftsfähige Mobilitätsoptionen zur Stärkung des in ländlichen Räumen sorgt. Dabei werden E-Scootersharing (zu Beginn: E-Bikesharing), E-Carsharing, Mitfahrnetzwerk, Mobilitätsstation und Routingplattform zu einem umfassenden Mobilitätspaket kombiniert.
Der Landkreis Reutlingen liegt südlich der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart und hat rund 290.510 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand: 30.06.2022) in 26 Städten und Gemeinden auf einer Fläche von etwa 1.028 km². Mit 117.034 Einwohnerinnen und Einwohnern (Stand: 30.06.2022) ist die Stadt Reutlingen die größte Stadt im Landkreis, gefolgt von Metzingen mit 22.314 Einwohnerinnen und Einwohnern (Stand: 30.06.2022). Die Vielfältigkeit des Landkreises Reutlingen ergibt sich aus der urbanen Struktur des nördlichen Landkreises und dem ländlich geprägten Südosten mit der Schwäbischen Alb.
Die sowohl städtisch als auch ländlich geprägte Struktur stellt den ÖPNV vor unterschiedliche Herausforderungen. Insbesondere die dünn besiedelten Bereiche auf der Schwäbischen Alb sind von einer dispersen Siedlungsstruktur geprägt. Aufgrund der geringen Nachfrage ist ein ausreichendes ÖPNV-Angebot oft nicht wirtschaftlich tragfähig und stark an den Bedürfnissen des Schülerverkehrs ausgerichtet. In den ländlichen Bereichen des Landkreises lässt sich daher eine hohe Abhängigkeit vom feststellen. Deshalb bedarf es alternativer Ansätze zur Sicherung der Daseinsvorsorge und Anschlussmobilität. Die Herausforderung besteht darin, den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen und den Anforderungen disperser Siedlungsstrukturen gerecht zu werden und zugleich eine Mobilität ohne eigenes Auto im Wohnumfeld zu ermöglichen.
Welche Ziele werden mit LandMobil verfolgt?
Der ÖPNV in ländlichen Gebieten soll durch die vereinfachte Kombination verschiedener Verkehrsmittel, attraktive Angebote für die erste und letzte Meile und Alternativen zum (Zweit-)Pkw gestärkt werden, um Anschlussmobilität zu sichern und mehr Menschen für die Nutzung von Bus und Bahn zu gewinnen. Durch die E-Scooter, die im free-floating-Modell operieren und innerhalb der Geschäftsgebiete der jeweiligen Kommunen flexibel ausgeliehen und wieder abgestellt werden können, ist ein innovatives Angebot für die erste und letzte Meile entstanden. Dieses konnte, ebenso wie das E-Carsharing, auf weitere Gemeinden im Landkreis ausgedehnt werden, so dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger auf das ausgebaute Netz dieser Angebote zurückgreifen können. Die Angebote sollen auch in Zukunft weiter ausgebaut werden, um das vielfältige Mobilitätsangebot so vielen Menschen wie möglich – besonders im ländlichen Raum – zugänglich zu machen.
Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?
Die genannten Projektbausteine wurden nach und nach in den Pilotkommunen Engstingen und Münsingen im Landkreis Reutlingen eingeführt. Eine Anschubfinanzierung (siehe Förderhinweis oben, für Sach- und Personalkosten) war für die Einführung und Etablierung der innovativen Projekte im ländlichen Raum notwendig. Nach Abschluss der Projektphase werden die Angebote, teils in überarbeiteter Form, weitergeführt und auf andere Kommunen ausgedehnt. Als erste Bausteine wurden ein free-floating E-Bikesharing sowie eine intermodale Routingplattform inklusive Mitfahrplattform im September 2021 eingeführt. Dabei standen 100 E-Bikes in allen Stadt- und Ortsteilen der beiden Kommunen zur Verfügung. Im Sommer 2022 konnte die erste E-Carsharing-Station sowie die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in Betrieb genommen werden. Im Januar 2023 folgte dann die zweite E-Carsharing-Station. Im Verlauf des Projektes wurden die E-Bikes durch eine reine E-Scooter-Flotte ersetzt, die deutlich besser angenommen wird und aktuell auf sechs Kommunen im Landkreis ausgedehnt wurde. Die Routingplattform wurde nach Projektende nicht weitergeführt (hier wird aufgrund des größeren Abdeckungsgebietes eine Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg angestrebt). Die Mitfahrplattform wurde im Juli 2024 in Zusammenarbeit mit den Nachbarlandkreisen mit verändertem Konzept neu ausgerollt.
Das Mobilitätsangebot wurde als Pilotprojekt 2,5 Jahre lang in den Kommunen Engstingen und Münsingen im Landkreis Reutlingen erprobt und wird nach Projektende mit Weiterentwicklungen und Anpassungen in den einzelnen Projektbausteinen weitergeführt. Das Landratsamt Reutlingen hat das Projekt koordiniert, unterstützt und begleitet die Kommunen weiterhin. Das Projekt wurde gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Herausforderungen bei der Umsetzung
Das Projekt wurde während der Hochphasen der COVID-19-Pandemie durchgeführt, so dass sich hieraus zahlreiche ungeplante Herausforderungen ergaben (zeitliche Verzögerungen, notwendige Anpassungen in den Projektbausteinen, Material- und Lieferengpässe, Kontaktbeschränkungen).
Für die Errichtung der Fahrradabstellinfrastruktur sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, um alle baurechtlichen Fragen und Rahmenbedingungen vor Ort (Schneelastzonen, Windzonen) abklären und angemessen berücksichtigen zu können.
Durch den pandemiebedingt verspäteten Start des E-Bikesharings im September 2021 war die erste Startphase, bevor es witterungsbedingt einen Einbruch in den Nutzungszahlen im Winter gab, kürzer als geplant. Ideal wäre ein Start im Frühjahr, so dass über eine gesamte Saison hinweg Erfahrungswerte gesammelt werden können. Im Rückblick sind E-Scooter besser geeignet als E-Bikes, da Erstere leichter sind, einfacher zu bedienen und daher auch häufiger genutzt werden. Die weiten Strecken, die topographischen Eigenheiten der Schwäbischen Alb, die geringere Bevölkerungsdichte und der damit verbundene Mehraufwand für den Betreiber sorgen für Herausforderungen, wenn es um den Aufbau und Erhalt eines wirtschaftlichen Betriebs geht. Durch einen Wechsel zu einer reinen E-Scooter-Flotte konnte ein wichtiger Schritt in Richtung Wirtschaftlichkeit gemacht werden, wenngleich – nach aktuellem Stand – die Aufrechterhaltung des Betriebs eine Daueraufgabe bleibt.
Für die Einrichtung des E-Carsharings sollte ebenfalls ausreichend Zeit für die Planung und den Aufbau der Ladeinfrastruktur eingeplant werden. Zudem hatten die verschiedenen Komponenten der Ladeinfrastruktur sehr lange Lieferzeiten, die auf Material- und Lieferengpässe in der gesamten Branche zurückzuführen waren.
Weiterführende Informationen (1)
Website Landkreis Reutlingen [abgerufen am 26.08.2024].
Meilensteine (14)
Antragsstellung im Bundesprogramm Ländliche Entwicklung
Projektstart
Besetzung Projektstelle
Definition der Pilotgemeinden
Start des E-Bikesharings und der Routingplattform
Eröffnung des ersten E-Carsharing-Standortes & Einweihung der Fahrradständer und Fahrradboxen
Start der E-Scooter-Testphase
Eröffnung des zweiten E-Carsharing-Standortes
Start der reinen E-Scooter-Flotte
Ausweitung des E-Scooter-Angebots auf zwei weitere Gemeinden
Eröffnung des E-Carsharing-Standorts am Landratsamt Reutlingen
Eröffnung des 14. E-Carsharing-Standorts im Landkreis Reutlingen
Ausweitung des E-Scooter-Angebots auf insgesamt 6 Gemeinden
Neustart des landkreisübergreifenden Mitfahrnetzwerks
Quellen (1)
Landkreis Reutlingen, 2024.
Videos
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Quellvermerk: „Mobilikon 2024"