Differenziertes Mobilitätssystem: ÖPNV-Projekt „Muldental in Fahrt“

Werbung für Muldental in Fahrt
Quelle: eingetragene Design-Marken des MDV

Was ist das Modellvorhaben Muldental in Fahrt?

„Muldental in Fahrt“ ist ein Modellvorhaben im Landkreis Leipzig innerhalb des Einzugsgebiets der Städte Bad Lausick, Brandis, Colditz und Grimma. Rund 100.000 Menschen leben in der ländlich geprägten Modellregion Muldental. Das Projekt soll dabei beispielhaft sowohl für den Mitteldeutschen Verbundraum als auch für den Freistaat Sachsen aufzeigen, wie ländliche Räume durch gute Mobilität wieder als Wohn-, Arbeits- und Freizeitstandort attraktiv werden können. 

Welche Ziele werden mit dem Modellvorhaben Muldental in Fahrt verfolgt?

Die Schaffung eines attraktiven und differenzierten Mobilitätsangebots für alle Einwohnerinnen und Einwohner des Muldentals soll die Standortqualität der ländlichen Region aufwerten. Die Mobilität der Bevölkerung soll dabei unabhängig vom privaten Pkw verbessert werden. Neben dem bisher dominierenden Schülerverkehr soll der ÖPNV für möglichst viele Wegezwecke (z. B. Arbeit, Ausbildung, Freizeit, Besuch, Einkauf, Erledigungen, Behördengänge, Urlaub) zu einer guten Alternative ausgebaut werden.

Das Angebot besteht aus einem regelmäßigen Takt an allen Tagen der Woche von morgens bis abends und ist mit dem Eisenbahnverkehr systematisch verknüpft. Es wurden sowohl die Regionallinien als auch die innerstädtischen Linien auf Basis eines Integralen Taktfahrplans komplett neu aufgebaut. Ein neu aufgebautes Marketing und betriebliches Mobilitätsmanagement ergänzen das Aufgabenfeld.

Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?

Regionale Partner haben sich auf Initiative des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes zusammengetan, um in diesem Pilotvorhaben eine mustergültige Umsetzung für weitere ländliche Räume zu erproben:

  • Landkreis Leipzig 
  • Mitteldeutscher Verkehrsverbund (MDV) 
  • Regionalbus Leipzig, THÜSAC Personennahverkehrsgesellschaft
  • Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL)
  • die Kommunen Bad Lausick, Brandis, Colditz und Grimma

Die Planung dauerte ca. 2,5 Jahre und verfolgte das Ziel der Einführung eines integralen Taktfahrplans (ITF) unter Einbeziehung des SPNV.

Ergebnis ist ein systematisch aufgebautes ÖPNV-Liniennetz in Ergänzung zum SPNV sowie eine bessere Erschließung durch deutlich mehr Haltestellen (+25 Prozent) und damit kürzere Wege der Kundinnen und Kunden zu ihren Zielen. Moderne Fahrzeuge mit höherem Komfort (u. a. W-LAN und Steckdosen) runden das Angebot ab. Neben dem ganztägigen Takt sind die Fahrtenangebote am Abend, an den Wochenenden und in den Ferien wichtige Merkmale des neuen Netzes. Ebenso wurde eine Verknüpfung zu anderen Buslinien und zum Zugverkehr sichergestellt und öffentliche Einrichtungen, Wohn- und Gewerbegebiete besser angebunden. 

Um jede Linie mit möglichst vielen anderen Linien zu verknüpfen, wurden Knotenhaltestellen geschaffen, an denen sich immer mindestens zwei Linien zur selben Zeit treffen und so den Umstieg zwischen den Linien vereinfachen. Für die bessere Kundenorientierung wurde konsequent auf die Ausgestaltung der Linien als PlusBus (1-h-Takt) und TaktBus (2-h-Takt) gesetzt.

Die Umsetzung des Modellvorhabens wurde 2016 vom Kreistag des Landkreises Leipzig beschlossen. Bis zum Sommer 2017 wurde das gesamte Regionalbusnetz im Projektgebiet mit über 30 Linien und 66 neuen Haltestellen umgesetzt. Wertvolle Erfahrungen wurden dabei u. a. in der Abstimmung mit Genehmigungsbehörden, den Schulen und Schulträgern, der Polizei und den politischen Vertretern vor Ort gesammelt, die alle in die Umsetzung einflossen. In weiteren Teilschritten folgten jeweils die Angebote in den Stadtverkehren in Brandis, Grimma, Bad Lausick und Colditz. Diese wurden ebenfalls vertaktet und mit dem Regionalverkehr und dem SPNV systematisch verknüpft. In Bad Lausick wurden dafür 13, in Grimma 21 und in Colditz 15 neue Haltestellen geschaffen, die kürzere Fußwege und eine flächendeckende Bedienung ermöglichen. In Brandis wurden weitere Ortsteile und ein Gewerbegebiet mit einer PlusBus-Linie und sechs neu eingerichteten Haltestellen erschlossen. 

Aufgrund der geringeren Einwohnerdichte wurde in Colditz der Stadtverkehr auf RufBus-Basis ausgestaltet. Speziell für Freizeitverkehre und Touristen wurde 2019 eine Tourismuslinie geschaffen, die beliebte touristische Ausflugsziele in der Region verbindet. Die Tourismuslinie hat sich leider nicht dauerhaft etabliert und wurde 2020 wieder eingestellt. „Muldental in Fahrt“ gilt als Wegbegleiter der sächsischen ÖPNV-Strategiekommission, deren Ergebnis u.a. ein sachsenweites ÖPNV-Netz aus Plus- und TaktBussen ist.

Der in der Stadt Bad Lausick eingeführte Stadtbusverkehr wurde nicht in ausreichendem Maße von den Fahrgästen angenommen. Das Angebotskonzept wurde deshalb umgestellt: Die Stadt erhielt für die innerstädtischen Fahrten und zur Verbindung mit umliegenden Ortschaften ein RufBus-Angebot. Diese bedarfsorientierte und sehr flexible Form der Verkehrsdurchführung hatte sich bereits in der Stadt Colditz bewährt und dort zu steigenden Fahrgastzahlen geführt. Mit den Bedienzeiten Montag bis Freitag von 05:00 bis 21:00 Uhr, Samstag von 06:00 bis 21:00 Uhr und Sonn- und Feiertag von 07:00 bis 21:00 Uhr konnten im Vergleich zum anfänglichen liniengebundenen Verkehr sogar weitere Verbesserungen mit der Umstellung erreicht werden.

„Muldental in Fahrt“ war der Startschuss für die kreisweite Verbesserung des ÖPNV im Landkreis Leipzig. Unter dem Titel „Landkreis Leipzig in Fahrt“ wurde in allen Teilräumen des Landkreises Leipzig Schritt für Schritt die Angebots- und Ziel-Philosophie von „Muldental in Fahrt“ umgesetzt. Es folgten „Neuseenland in Fahrt“, „Frohburg-Geithain“, der Stadtverkehr Wurzen und das Wurzener Land, das als letzter Baustein im Dezember 2022 umgesetzt wurde. Die Verkehrsplanung als dauerhafter Prozess war damit nicht abgeschlossen. Neben jährlich notwendigen Anpassungen – u.a. aufgrund von Änderungen bei Linien des SPNV – geht der Landkreis aktuell weitere Verbesserungsschritte, insb. im Bereich der Stadt-Umland-Verflechtung mit dem Oberzentrum Leipzig an (bspw. im Bereich der Stadt Markranstädt). Auch hier werden vertaktete Linien eingeführt und ein flächenhafter RufBus-Bereich geschaffen.

Die im Projekt entstandenen Planungskosten liegen bei rund 300.000 Euro. Weitere Kosten entstanden durch:

  • temporäre Personalverstärkung beim Verkehrsverbund und Verkehrsunternehmen
  • Erweiterung Busbetriebshof
  • Erhöhung der Anzahl der Busse und der Busfahrerinnen und Busfahrer
  • Betriebskosten für erweitertes Fahrtenangebot
  • Ausbau von Bushaltestellen

Das Projekt „Muldental in Fahrt“ war Musterprojekt in Sachsen, auf dessen Basis der Freistaat Sachsen erstmals eine dauerhafte Mitfinanzierung von regionalbedeutsamen Buslinien seit 2019 initiiert hat. Die dauerhaft erhöhten Betriebskosten werden in Summe aus erhöhter Fahrgastnachfrage, aus Mitteln des Freistaates Sachsen und aus zusätzlichen Mitteln des Landkreise Leipzig finanziert.

Bei der Umsetzung musste man sich organisatorischen als auch inhaltlichen Herausforderungen stellen. Zu den organisatorischen Herausforderungen zählen z. B. die personelle Herausforderung. Alle Projektpartner waren so aufgestellt, dass sie zwar die regulären Aufgaben bearbeiten konnten, nicht aber zusätzlich ein ressourcen-intensives Projekt. Zudem mussten Fahrerinnen bzw. Fahrer und Busse gefunden werden, was auch zu neuen Organisationsformen im Verkehrsunternehmen führte, da unter anderem mehr Wochenenddienste gemacht wurden mussten. Die politische Mehrheit hielt das Projekt für ein "Wagnis". Daher waren viele Abendveranstaltungen in Politik, mit Bürgerinnen und Bürgern, Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern notwendig. Des Weiteren mussten die Schulen davon überzeugt werden, dass das neue Taktangebot auch eine Chance für sie darstellt (z. B. flexible Fahrtmöglichkeiten am Nachmittag). Zu guter Letzt ist das finanzielle Budget zu nennen, welches für das Projekt benötigt wurde.

Zu den inhaltlichen Herausforderungen zählt das Know-how, welches erstmal aufgebaut oder eingekauft werden musste. Zudem müssen die Fahrpläne an die wechselnden SPNV-Fahrpläne angepasst werden. Auch wurden Haltestellengenehmigungen oft als lästig, oder überflüssig oder auch als Verkehrshindernis gesehen. Zuletzt steht die gestiegene Anzahl an Haltestellen der Barrierefreiheit gegenüber („Sind mehr Haltestellen und damit kürzere Wege nicht besser und ein erster Schritt zur Barrierefreiheit als wenig Haltestellen mit langen Wegen und vielen Stolpersteinen bis zur gut ausgebauten Haltestelle?!“).

Das vertaktete und mit dem SPNV verwobene Busangebot muss sich ab Ende 2025 bzw. Ende 2026 auf größere Angebotsänderungen im Bahn-Fern- und Nahverkehr einstellen, insb. auch bei der S-Bahn Mitteldeutschland. Veränderte Linienverläufe und insbesondere Zeiten an den Verknüpfungsstellen werden den angeschlossenen Busverkehr vor große Herausforderungen stellen. Auch damit setzt sich der Landkreis Leipzig bereits proaktiv auseinander und hat eine entsprechende fachinterne AG frühzeitig gegründet. Die Netzwirkung auch bei solchen Änderungen zu erhalten oder gar noch zu verbessern, wird eine Herausforderung bis Dezember 2025 sein und darüber hinaus bleiben. 

Betriebliches Mobilitätsmanagement
Quelle: Mobilikon 2024
Icon Maßnahme

Betriebliches Mobilitätsmanagement umfasst alle Maßnahmen, die Unternehmen oder Behörden ergreifen, um den von ihnen verursachten Verkehr zu steuern.

Differenziertes Mobilitätssystem
Quelle: Mobilikon 2021
Icon Maßnahme

Ein differenziertes Mobilitätssystem schafft durch die strategische Verknüpfung mehrerer Angebote mit hoher Kundenorientierung eine Alternative zum privaten Pkw im ländlichen Raum.

Integration alternativer Angebote in das ÖPNV-Angebot
PlusBus
Quelle: Mobilikon 2021
Maßnahme

PlusBus

Icon Maßnahme

Der PlusBus dient als Ergänzung und Zubringer für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und zeichnet sich durch einen regelmäßigen, auf den SPNV abgestimmten Takt sowie durch kurze Fahrtzeiten aus.

Differenziertes Mobilitätssystem: LandMobil – Landkreis Reutlingen
PlusBusse im Landkreis Potsdam-Mittelmark
Quelle: regiobusPM
Icon Beispiele aus der Praxis

Im Landkreis Potsdam-Mittelmark verkehren acht PlusBus-Linien, die im Stundentakt und auf den SPNV abgestimmt die Anbindung der ländlichen Räume an die Ober- bzw. Mittelzentren sicherstellen.

Mobilitätskonzept
Icon Instrumente

Als strategisches Planwerk definiert ein Mobilitätskonzept die Rahmenbedingungen der Verkehrsplanung sowie -entwicklung und erarbeitet konkrete Lösungsansätze zu verschiedenen Themen im Verkehrsbereich.

Festlegung einer Marketing- und Kommunikationsstrategie
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Icon Hilfen zur Umsetzung

Eine Marketing- und Kommunikationsstrategie kann dazu beitragen, ein positives Umfeld für die Einführung der jeweiligen Maßnahme zu schaffen und beeinflusst langfristig die Wahrnehmung der Maßnahme.

Bedeutung und Förderung von Mobilität in ländlichen Räumen
Sicherung von Versorgung und Mobilität im ländlichen Raum. Strategien und Praxisbeispiele für gleichwertige Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen
Zukunftsfähige Mobilität in ländlichen Räumen. 12 Bausteine für eine Landmobilität von morgen
September 2016:

Umsetzungsbeschluss des Modellvorhabens durch den Kreistag des Landkreises Leipzig

Dezember 2016:

Erste Umsetzungsstufe - Regionalverkehr

August 2017:

Große Umsetzungsstufe - Regionalverkehr

April 2019:

Start der saisonalen Tourismuslinie im Muldental + Stadtverkehr Grimma

Dezember 2019:

Start der StadtBus-Linie in Bad Lausick

August 2020:

Start Stadtverkehr Colditz (als StadtRufBus)

2021:                        

Optimierung StadtBus Bad Lausick

2022:

Verbesserung des RufBus-Angebotes in Colditz

April 2024:

Umstellung StadtBus Bad Lausick auf RufBus

Mitteldeutscher Verkehrsverbund GmbH, 2024.

Mitteldeutscher Verkehrsverbund GmbH (MDV), o. J.: Muldental in Fahrt. Zugriff: https://www.mdv.de Projekte, umgesetzte Projekte, Muldental in Fahrt [abgerufen am 25.11.2024].

Leipziger Volkszeitung, 07.02.2019: Muldental in Fahrt: Besseres Angebot bringt 14 Prozent mehr Fahrgäste. Zugriff: https://www.lvz.de/Region/Grimma/Muldental-in-Fahrt-bringt-Fahrgastzuwachs [abgerufen am 25.11.2024].

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