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Dorf-mobil.app – Soziales Carsharing auf dem Weg zum autonomen Fahren

Mehrere Personen neben einem Carsharing-Fahrzeug vor dem Ortseingangsschild von Schleberoda.
Quelle: © SUM e. V.

Ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbes „Zu Hause unterwegs. Mobil in ländlichen Räumen" (2024) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Was ist die dorf-mobil.app?

Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes Schleberoda (Ortsteil von Freyburg (Unstrut), Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt, (156 Einwohnerinnen und Einwohner) haben ein innovatives Konzept für ein soziales Carsharing als Vorbereitung für das autonome Fahren im ländlichen Raum entwickelt. Mit Förderung der EU wurden zwei Elektrofahrzeuge angeschafft und eine App programmiert, die die Mobilitätswünsche der Menschen im Dorfzusammenbringt. Die App führt einen „Mobilitätskalender“, errechnet mithilfe von KI gemeinschaftliche Fahrten, ermittelt mögliche Umwege bei mehreren Zielen, organisiert die Fahrten und rechnet sie dann auch anteilig ab. Dies ermöglicht der nachbarschaftlichen Gemeinschaft auch ohne eigenen Pkw mobil zu sein und sorgt für ein autoreduziertes Wohnumfeld in Schleberoda.  

Welche Ziele werden mit der dorf.mobil-app verfolgt?

Die Mobilität (oder auch das Fehlen von Mobilität) entscheidet mehr und mehr über das Überleben von Dörfern und ländlichen Strukturen. Obwohl es in Schleberoda noch keinen Leerstand gibt, denken die Dorfbewohnerinnen und -bewohner seit Jahren aktiv darüber nach, wie die Mobilität verbessert werden kann, um Menschen in der Region zu halten oder sogar zum Zuzug zu bewegen. Mittelfristig soll dies mit autonom fahrenden Fahrzeugen geschehen, die, eingebunden in den ÖPNV, zumindest die „Letzte Meile“ abdecken. 

Kurzfristig wurde mit der dorf-mobil.app bereits die Mobilität verbessert. Insbesondere Menschen, die noch nicht oder nicht mehr fahren können, bekommen eine Perspektive für das Leben auf dem Land, Fahrdienste der Eltern werden minimiert und ältere Personen können im Dorf wohnen bleiben. Die datenschutzkonforme Auswertung der Fahrten und die Erfahrung der Fahrgäste mit der Zusammenführung von Fahrten soll zudem Schritt 2, das autonome Fahren, bereits heute vorbereiten. Es sind weniger die Technik oder die juristischen Fragen, die letztendlich über die Akzeptanz automatisierter Systeme entscheiden werden als die Bereitschaft der Menschen im ländlichen Raum, sich auf eine neue Art der Mobilität einzulassen.

Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?

Die Stadt Freyburg (Unstrut) hat sich erfolgreich an der Ausschreibung des Netzwerks Stadt-Land des Landes Sachsen-Anhalt beteiligt und hat dadurch EU-Mittel (ELER) für die Anschaffung der Fahrzeuge (Pkw und Transporter) und die Programmierung der App nutzen können. Für die Umsetzung des Projekts konnte sie auf den Verein Saale-Unstrut-Mobilität (SUM) e. V. zurückgreifen, den Bürgerinnen und Bürger aus Schleberoda für die Beschäftigung mit der Mobilität der Zukunft gegründet hatten. Der Verein richtete eine Ladesäule für das Dorf ein, organisierte die Abläufe im Dorf, gab den Programmierern laufend Feedback zur Funktionalität der App, sorgte für den Betrieb der Fahrzeuge (Versicherung, Wartung, Ladeplanung etc.) und vernetzte sich national und international. Der Verein wurde dabei unterstützt von der Sparkasse Burgenlandkreis, die mit den Akteuren die Abrechnung der Kosten via App erprobte, und den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA), die eine Verbindung zwischen bürgerschaftlichem Engagement und behutsamem Umgang mit gemeinschaftlichen Eigentum beobachten konnten.

Eine große Herausforderung stellte die Förderung dar. Zwar sind insbesondere im ländlichen Raum bürgerschaftliches Engagement und gute Ideen vorhanden, aber in der Regel kein größeres Eigenkapital, das für die Beantragung einer Förderung dringend erforderlich ist. Als problematisch stellte sich heraus, dass das Geld, das ein potenzieller Sponsor als Eigenmittel zur Verfügung stellen wollte, nicht als Eigenmittel gewertet worden wäre, sondern zu einer Verringerung der Fördersumme geführt hätte. 

Dazu kommt, dass das Finanzamt erklärt hatte, ein Mobilitätsprojekt könne keine gemeinnützigen Ziele verfolgen, so dass einem Mobilitätsverein grundsätzlich nie der Status eines „gemeinnützig anerkannten Vereins“ zugeteilt werden könne. 

Privates Carsharing
Quelle: Mobilikon 2021
Icon Maßnahme

Beim privaten Carsharing vermietet eine Privatperson über eine Vermittlungsbörse ihr Auto an andere private Nutzerinnen und Nutzer.

cAAruso – Nachbarschaftliches E-Carsharing in Velen und Ramsdorf
NeueMobilitätPAF – Pulsierendes Carsharing in und um Pfaffenhofen a. d. Ilm

Carsharing Gesetz (CsgG)
Quelle: RUNSTUDIO / Getty Images
Icon Instrumente

Das Carsharinggesetz bildet den rechtlichen Rahmen für Maßnahmen zur Bevorrechtigung des Carsharings, insbesondere durch die Ausweisung von Stellplätzen und ermäßigte Parkgebühren.

Carsharing
Wissenschaftliche Dokumente
Publikationssammlung

Carsharing

Icon Publikationssammlung

Die praxisnahe Hilfestellung für Kommunen in Nordrhein-Westfalen formuliert Verfahrensschritte und Strategien für die erfolgreiche Umsetzung von Carsharing-Angeboten.

2017:

Teilnahme am Regionalwettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, u. a. mit der ersten Idee für das Autonome Fahren im ländlichen Raum. Auszeichnung „Gold“

2018:

a) Erste Teilnahme am Wettbewerb des Netzwerks Stadt-Land Sachsen-Anhalt. Förderempfehlung des Netzwerks, aber mangels Eigenmittel vom Landesverwaltungsamt abgelehnt

b) Teilnahme am Landeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“. Auszeichnung „Gold“

2019:

a) Landrat Götz Ulrich und Bürgermeister Udo Mänicke erkennen das Potenzial des Projekts. Einreichung beim Netzwerk Stadt-Land durch die Kommune Freyburg (Unstrut) 

b) Teilnahme am Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“. Auszeichnung „Silber“

2020:

Erneute Förderempfehlung des Netzwerks Stadt-Land und Förderzusage durch das Landesverwaltungsamt

2020-2023:

Vergabe von App-Programmierung und Fahrzeugen

2021:

Gründung des Vereins „Saale-Unstrut-Mobilität“ e.V. Anschaffung einer Ladesäule mithilfe von Sponsoren

2023:

Abschluss der Projektphase und Überführung in den Regelbetrieb

Burgendlandkreis, 2024.

Ähnliche Beispiele aus der Praxis

Quelle: Heinrich Althausen heinrich.althausen@endura-kommunal.de

Mobilitätsnetzwerk Ortenau

Das Mobilitätsnetzwerk ist ein kommunaler Zusammenschluss von 14 Städten und Gemeinden aus der Ortenau. Es dient als zentraler Ansprechpartner für nachhaltige Mobilitätsangebote in der Region.

Quelle: Martin Leclaire/EWF

Anrufsammeltaxi Waldeck-Frankenberg

Das Anrufsammeltaxi im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg ist ein bedarfsorientiertes Mobilitätsangebot, das den öffentlichen Nahverkehr mit Bus und Bahn in der ländlichen Region ergänzt.