Ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbes „Gemeinsam aktiv. Mobil in ländlichen Räumen" (2023) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Was ist die erste außerörtliche Fahrradstraße Hessens?
Der Landkreis Gießen hat im Jahr 2020 ein Radwegekonzept beschlossen, im Rahmen dessen wichtige Streckenführungen hinsichtlich ihrer Netzbedeutung identifiziert wurden. Die K29 wurde durch auffällige Beschilderung und großflächige Informationsposter als „unechte“ Fahrradstraße ausgewiesen, die auch von PKW noch befahren werden darf. Es gilt allerdings, dass das Auto nur „zu Gast“ auf der Straße unterwegs sein darf, Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer nicht überholt werden dürfen und Tempo 30 nicht überschritten werden darf.
Welche Ziele werden mit der außerörtlichen Fahrradstraße verfolgt?
Die Kreisstraße 29 zwischen den Gemeinden Staufenberg und Lollar wurde als wenig bedeutungsvoll für den motorisierten Verkehr gesehen, während die 4,20 Meter breite Fahrbahn und die unübersichtliche Straßenführung bei oft überhöhten Geschwindigkeiten gefährliche Verkehrssituationen begünstigte. Ziel des Verkehrsversuchs ist es, die Gefahren zu minimieren und den Alltagsradverkehr mit einer attraktiven Strecke zu fördern.
Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?
Trotz guter Fördermöglichkeiten stellten die finanziellen Herausforderungen bei der Umsetzung eine Hürde dar. Weiterhin ließen die zeitliche Perspektive, ein Ausschreibungsverfahren verbunden mit einem Planfeststellungsverfahren in Kombination mit überlasteten Planungsbüros und ausführenden Firmen ein zeitintensives Verfahren bis zur Umsetzung erahnen. Daher wurden bereits bestehende Verkehrswege hinsichtlich ihres Potenzials, sinnvolle Verbesserungen für schwächere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu schaffen, in den Fokus genommen.
Gemeinsam mit den Städten Staufenberg und Lollar, der Verkehrspolizei und dem Landesbetrieb Hessen Mobil hat der Landkreis Gießen daher den Verkehrsversuch der außerörtlichen Fahrradstraße als Alltagsroute für den Radverkehr umgesetzt.
Es wurde ausführliche aufklärende Pressearbeit im Vorfeld und begleitend zum Versuch geleistet. Weiterhin wurden in den Kommunen Flyer zum Projekt verteilt. Zu Beginn des Verkehrsversuchs gab es zudem einen Aktionstag von Verkehrspolizei und Verkehrsbehörde, an dem Präventions- und Aufklärungsgespräche mit Autofahrerinnen und -fahrer geführt wurden, die die neu ausgewiesene Fahrradstraße nutzten.
Mit den Gemeinden, Behörden und der Politik wurden im Vorfeld Gespräche geführt, um Chancen und Herausforderungen des Projekts zu identifizieren. Mit den Bürgermeistern wurden Videokonferenzen durchgeführt. Da es sich bei dem Verkehrsversuch um den ersten seiner Art in Hessen handelt, bestanden Bedenken bei den beteiligten Behörden. Daher wurden regelmäßige inner- und interbehördliche Abstimmungsrunden, sowohl mit der Polizei, der Landesbehörde Hessen Mobil und den Kommunen durchgeführt.
Zusätzlich wurden zahlreiche Gespräche mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern geführt. Bei auftretenden Beschwerden fand ein ausführlicher Austausch mit den Beschwerdeeinreichenden statt. Dies passierte sowohl mündlich, als auch schriftlich oder über die sozialen Netzwerke. Die Akzeptanz unter den Autofahrerinnen und -fahrern war dennoch ein Punkt, der Herausforderungen bereithielt. Vielen fehlte das Verständnis für die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, insbesondere, da es eine andere Radverbindung zwischen den Gemeinden gibt, die allerdings für den Alltagsradverkehr weniger geeignet ist als die Verbindung über die K 29.
Fahrradstraße durch Lollar (giessener-anzeiger.de) [abgerufen am 18.12.2023].
Landkreis Gießen, 2023.