Mobilitätsberatung und Bürgerbus in Rhede: Mobil bis zur Haustür

Ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbes „Zu Hause unterwegs. Mobil in ländlichen Räumen" (2024) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Was ist „Mobil bis zur Haustür“?

„Mobil bis zur Haustür“ – ein Wunsch, der vor allem von älteren Personen und Menschen mit Behinderungen geäußert wird, da für diese Personengruppen der Weg bis zur nächsten Haltestelle oftmals zu beschwerlich ist. Seitens der Stadtverwaltung Rhede wurde deshalb der örtliche Bürgerbusverein bei seinem Wechsel auf ein bedarfsorientiertes Fahrsystem, welches die Ansteuerung von privaten Hausadressen ermöglicht, unterstützt. So konnten auch ehrenamtliche Personen gewonnen werden, die sich für eine bessere Mobilität engagieren und durch ihre regelmäßigen Fahrten mit dem Bürgerbus der Behörde ein entsprechendes Feedback geben können. So greifen hier die Arbeiten der Behörde und des Ehrenamtes „Hand in Hand“.

Welche Ziele werden mit dem Projekt „Mobil bis zur Haustür“ verfolgt?

Zentrales Leitziel des Mobilitätskonzeptes, dessen Erstellung im Jahr 2019 beschlossen und im Jahr 2023 im Stadtrat verabschiedet wurde, war eine klimafreundliche und vielfältige Mobilität in Rhede zu schaffen. Es sollte eine Mobilitätswende für alle gestaltet werden. Mit der Unterstützung des Bürgerbusvereins kommt man dieser Anforderung ein stückweit nach und versucht alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen.

Ein wichtiger Baustein bei der Mobilitätswende ist die Mobilitätsberatung und die damit verbundene Öffentlichkeitsarbeit. Gerade in ländlichen Räumen ist die Konkurrenz durch das Auto groß und hier muss der Umstieg auf alternative Verkehrsmittel erst gelernt und „schmackhaft“ gemacht werden. Hierzu wurde seitens der Stadt Rhede eine Beratungsstelle eingerichtet, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern genutzt wird und wo Fahrwünsche mit dem Bürgerbus auch direkt gebucht werden können.

Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?

Bei der Umsetzung der Ziele wurde der Bürgerbusverein gezielt unterstützt. Hier sind insbesondere die Planung und Umsetzung einer neuen Haltestellenverteilung sowie die Einrichtung und Besetzung einer telefonischen Hotline zur Entgegennahme von Fahrwünschen zu nennen. 

Hinsichtlich der Haltestellenverteilung musste ein ganz neuer Ansatz verfolgt werden, denn mit der Möglichkeit Wohnadressen direkt bedienen zu können, wurden viele Haltestellen, insbesondere im Außenbereich überflüssig. Andersherum mussten viele Haltestellen im Innenbereich neu aufgebaut werden, um möglichst viele wichtige Ziele der Daseinsvorsorge erreichen zu können (wie z. B. Arztpraxen, Apotheken, Geschäfte, Banken, Sportstätten). Denn die dem bedarfsorientierten Fahrsystem zugrundeliegende Konzession erlaubt den Transport von Fahrgästen nur, wenn mindestens eine Haltestelle auf dem Fahrweg enthalten ist (als Einstiegs- oder Ausstiegspunkt). Beschäftigte des Bauhofes der Stadt Rhede haben den Abbau und Neuaufbau von Haltestellen vorgenommen, so dass dem Bürgerbusverein nun insgesamt 70 Haltestellen im bedarfsorientierten Fahrsystem zur Verfügung stehen.

Die Telefonzentrale und der Bürgerbus wurden mit entsprechender Hard- und Software ausgestattet, damit die Fahrwünsche registriert, gebündelt und abgearbeitet werden können. Für den sicheren Umgang mit der neuen Technik wurden entsprechende Schulungen durchgeführt und für die Fahrerinnen und Fahrer des Bürgerbusses Testfahrten organisiert. 
Begleitet wurde die Umstellung auf das bedarfsorientierte Fahrsystem seitens des Bürgerbusvereins und der Stadt Rhede durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. 

  • Der zeitliche Aufwand für die Mobilitätsberatung war im Vorfeld des Projektes nur schwer abzuschätzen. Zentrale Frage war: Wie viele Bürgerinnen und Bürger würden dieses neue Angebot annehmen und beispielsweise eine Fahrt mit dem Bürgerbus telefonisch buchen. Somit waren die für diese Leistung benötigten Stellenanteile schwierig zu kalkulieren, mussten aber vor Beginn des Projektes im Haushaltsplan festgelegt werden. 
  • Während die technische Umstellung (Bedienung von Tablet und Software) den Bürgerbusfahrerinnen und -fahrern keine größeren Probleme bereitete, mussten sie lernen, dass es immer wieder zu „verketteten Fahrten“ bzw. einer Bündelung von Fahrwünschen kommt. Das heißt, ein Fahrgast wird nicht direkt zu seinem Ziel gebracht, da auf dem Weg dorthin noch andere Fahrgäste abgeholt werden müssen. Die Sensibilisierung immer wieder auf das Tablet zu schauen, um den nächsten Zielort anzusteuern und den Fahrwunsch eines Gastes nicht direkt zu erfüllen, war zu Anfang eine größere Herausforderung.
  • Die seitens des Softwareherstellers bestimmten Positionsdaten zu den jeweiligen Hausadressen in Rhede erwiesen sich als zu ungenau, so dass es bei der Anfahrt der Hausadressen über ein Navigationssystem zu größeren Abweichungen kam. Hier konnte mit Hilfe der Stadtverwaltung nachgebessert werden. 
  • Es mussten spezielle Lösungen entwickelt werden, da die Erreichbarkeit von Hausadressen nicht überall gegeben ist (Lage in einer Sackgasse in der für den Bürgerbus keine Wendemöglichkeit existiert).
Anrufbürgerbus
Icon Maßnahme

Ein Anrufbürgerbus wird ehrenamtlich mit dem Ziel betrieben, das ÖPNV-Angebot zu ergänzen. Als bedarfsgesteuerte Angebotsform verkehrt der Anrufbürgerbus nach vorheriger Anmeldung.

Liniengebundener Bürgerbus
Quelle: Mobilikon 2021
Icon Maßnahme

Ein liniengebundener Bürgerbus wird von ehrenamtlich engagierten Personen betrieben mit dem Ziel, das bestehende ÖPNV-Angebot zu ergänzen. Der Bürgerbus verkehrt nach Fahrplan auf einer festen Route.

Aktive Mobilitätsberatung: SmartMove
Quelle: Roman Klementschitz
Icon Beispiele aus der Praxis

SmartMove ist ein Mobilitätsberatungsprojekt, das in acht ländlichen Regionen Europas umgesetzt wurde. Das von der EU geförderte Projekt zielt darauf, den nachhaltigen Verkehr in ländlichen Regionen zu stärken.

Bürgerrufauto MIT - Mobil im Kleinen Wiesental
Quelle: Gemeinde Kleines Wiesental
Icon Beispiele aus der Praxis

Das Bürgerrufauto in Kleines Wiesental ist ein Mobilitätsangebot, mit dem entlegene Ortsteile an den Buslinienverkehr angeschlossen werden und Seniorinnen und Senioren einen Fahrdienst von Tür zu Tür angeboten wird.

Bürgerbusse im Landkreis Kusel
Quelle: Bürgerbus Oberes Glantal
Beispiele aus der Praxis

Bürgerbusse im Landkreis Kusel

Icon Beispiele aus der Praxis

Im Landkreis Kusel verkehren flächendeckend Bürgerbusse, die für die Bewohnerinnen und Bewohner eine kostenlose Hin- und Rückfahrt von Tür zu Tür anbieten.

Ehrenamtlicher Seniorenfahrdienst und Bürger- und Seniorenbus auf Basis Rufbus in Markt Altmannstein
Rufbus: AktiVVo Holzwinkel/Roth- und Zusamtal
Quelle: Entwicklungsforum Holzwinkel Altenmünster e.V.
Icon Beispiele aus der Praxis

Der AktiVVo ist ein On-Demand-Angebot im ÖPNV. Mithilfe von zwei Kleinbussen werden flexible Nahverkehrsverbindungen zwischen Gemeinden ermöglicht, die durch den ÖPNV bisher nicht angeboten werden. 

Bürgerbus Floh-Seligenthal
Quelle: Gemeinde Floh-Seligenthal
Beispiele aus der Praxis

Bürgerbus Floh-Seligenthal

Icon Beispiele aus der Praxis

2022 wurde in der Gemeinde Floh-Seligenthal ein Bürgerbus angeschafft, der insbesondere für Bürgerinnen und Bürger verkehrt, die keinen eigenen Pkw besitzen oder den ÖPNV nicht nutzen können.

Bürgerbusverein
Instrumente

Bürgerbusverein

Icon Instrumente

Ein Bürgerbus muss in eine juristisch eigenständige Institution eingebettet werden. In Deutschland ist der häufigste Weg die Gründung eines Bürgerbusvereins.

Mobilitätskonzept
Icon Instrumente

Als strategisches Planwerk definiert ein Mobilitätskonzept die Rahmenbedingungen der Verkehrsplanung sowie -entwicklung und erarbeitet konkrete Lösungsansätze zu verschiedenen Themen im Verkehrsbereich.

Flyer Bürgerbus Rhede [abgerufen am 16.10.2024].

Video zum Bürgerbus Rhede [abgerufen am 16.10.2024].

Webseite Bürgerbus Rhede [abgerufen am 16.10.2024].

10.01.2022:

Start des Bürgerbusses im bedarfsorientierten Fahrsystem

31.12.2022:

Erste Jahresbilanz: Fahrgastzahl konnte gehalten werden,Kilometerleistung deutlich reduziert --> Einsparung von 9,28 Tonnen CO2

31.12.2023:

Zweite Jahresbilanz: Zuwachs bei den Fahrgastzahlen um 37 Prozent, Kilometerleistung weiterhin deutlich reduziert --> Einsparung von 8,48 Tonnen CO2

28.05.2024:

Insgesamt 15.000 Fahrgäste haben das neue Angebot bisher genutzt

„Der Nahverkehr“, Ausgabe 10/2023: Der Bürgerbus Rhede ist flexibel geworden – mit Vorteilen für Fahrgäste und Umwelt, Zeitschrift.

Kreis Borken, 2024: Erfolgreiche Fahrsystemumstellung beim Bürgerbus Rhede, Jahrbuch des Kreises Borken 2024, S. 73-77.

Stadt Rhede, 2024.

 

Ähnliche Beispiele aus der Praxis

Quelle: Interkulturelle Begegnungsprojekte e.V.

E-Rikscha-Fahrdienst Darup

Im nordrhein-westfälischen Darup wird im Rahmen eines Modellvorhabens ein E-Rikscha-Fahrdienst für mobilitätseingeschränkte Personen angeboten.

Quelle: Heinrich Althausen heinrich.althausen@endura-kommunal.de

Mobilitätsnetzwerk Ortenau

Das Mobilitätsnetzwerk ist ein kommunaler Zusammenschluss von 14 Städten und Gemeinden aus der Ortenau. Es dient als zentraler Ansprechpartner für nachhaltige Mobilitätsangebote in der Region.