Mobilitätsmanagement in Neunkirchen: Integrierte Mobilität denken, den Umweltverbund stärken

Ausgezeichnet im Rahmen des Wettbewerbes „Zu Hause unterwegs. Mobil in ländlichen Räumen" (2024) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)

Was ist das Mobilitätsmanagement in Neunkirchen?

Alle Aufgaben, die die Mobilität betreffen, werden interdisziplinär gedacht. Mobilität ist Chefsache und deswegen ist die Aufgabe in einer Stabsstelle der Verwaltungsleitung integriert. Es besteht die Möglichkeit, Ideen zu entwickeln und diese, nach politischer Legitimation, umzusetzen. Ein offener Blick, die Annahme von geförderten Angeboten und auch ein starker Umsetzungswille gehören dazu. 

Bis zum Jahr 2019 wurden die Pflichtaufgaben zum Thema Verkehr in der Verwaltung Neunkirchens bearbeitet. Durch die Einführung eines kommunalen Mobilitätsmanagements im Jahr 2019 wurden sehr viele Maßnahmen initiiert und auch umgesetzt. Dabei wurden insbesondere die Zielgruppen

  • Kinder, Jugendliche, Schülerinnen und Schüler
  • Seniorinnen und Senioren
  • Radfahrerinnen und Radfahrer

in den Fokus genommen. 

Welche Ziele werden mit dem Mobilitätsmanagement in Neunkirchen verfolgt?

  1. Die Gemeinde möchte vor allem dazu anregen, vom MIV auf den Umweltverbund umzusteigen. Hierzu ist neben einer veränderten Haltung auch die Schaffung geeigneter Infrastruktur vonnöten. Der Radverkehrsanteil soll von 4 auf 10 Prozent erhöht werden. 
  2. Die Gemeinde hat sich zum Ziel gesetzt, die Stadtentwicklung der Gemeinde sukzessive den Erfordernissen einer nachhaltigen Mobilität anzupassen. 
  3. Der Anteil des Radverkehrs soll erhöht werden. Durch weniger Kfz wird Neunkirchen ruhiger, sicherer und die Aufenthaltsqualität kann gesteigert werden.
  4. Außerdem sollen die Fußwegebeziehungen so verbessert werden, dass alle Quartiere miteinander fußläufig verbunden sind, möglichst barrierearm. 

Alle Maßnahmen tragen dazu bei, das Wohnumfeld Neunkirchens zu verbessern.

Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?

Zunächst wurden Basisdaten erhoben und Konzepte erstellt. So wurden ein Mobilitätskonzept und ein kommunales Radwegekonzept geschrieben sowie ein Fußverkehrs-Check und ein Schulisches Mobilitätsmanagement durchgeführt.

Im Jahr 2020 wurde ein Mobilitätskonzept erarbeitet, welches im Jahr 2021 politisch legitimiert wurde. Dieses schließt mit 38 Maßnahmen ab, die seitdem sukzessive umgesetzt werden. Damit hat die Gemeinde einen roten Faden, den sie stetig verfolgt. 

Der Fußverkehrscheck wurde ebenfalls im Jahr 2020 erstellt und schließt ebenfalls mit einem Handlungsplan ab.

Das Schulische Mobilitätsmanagement wurde an allen Schulen durchgeführt. Das Schulische Mobilitätsmanagement wurde in den vergangenen Jahren am Schulzentraum Rassberg (Grundschule, Gymnasium) sowie an der Grundschule Salchendorf eingeführt. Alle Schulen bekamen auf Wunsch eine Lehrerfortbildung. Außerdem wurden mit einem Experten/Verkehrsgutachter alle Eltern an den Grundschulen und alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium mittels Fragebogen zu ihrem Schulwegeverhalten befragt. Die Schulwege wurden von einem Experten abgegangen und bewertet. Alle Mängel wurden besprochen und nochmals mit Lehrern, Eltern und Verwaltung abgegangen. Daraufhin wurden an beiden Grundschulen Hol- und Bringzonen eingerichtet, um den Autoverkehr aus dem Nahbereich der Schulen zu halten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Aktuell steht noch eine Bushaltestellenverlegung an, um den Fußweg zur Schule sicherer zu gestalten. 

Außerdem nutzt die Gemeinde die jährliche Teilnahme an der Europäischen Mobilitätswoche, um auf wichtige Mobilitätsthemen hinzuweisen. So wurde beispielsweise im Jahr 2019 in einem Ortsteil das „Alte Dorf“ für den MIV gesperrt. An diesem Tag fanden dann zahlreiche Aktionen, vor allem für Kinder zum Fuß- und Radverkehr statt, die werbewirksam begleitet wurden. Unterstützt haben hierbei die Kinderfeuerwehr, die Polizei, der Heimatverein, ein örtlicher Fahrradhändler und die Gemeindeverwaltung. Im Jahr 2020 wurde die Bushaltestelle zu einem Dschungel mit echten Pflanzen umgebaut. An einem Morgen während der Mobilitätswoche hat die Gemeinde dann morgens allen wartenden Busgästen ein Lunchpaket übergeben, ein Künstler war als Baum verkleidet, eine Puppenkünstlerin hat unterhalten und man konnte mit einem Smoothie-Rad einen Smoothie erradeln. Der Kreis Siegen-Wittgenstein sowie auch die Verkehrsbetriebe haben die Aktion unterstützt. 

In den Folgejahren hat die Gemeinde weitere Aktionen an Schulen und Kindergärten durchgeführt. Jedes Jahr bekommen alle Zweitklässler der beiden Neunkirchener Grundschulen eine Einladung zum Theater Till. Im Bürgerhaus der Gemeinde organisiert diese dann das Musical „Abgeschnallt“, um Kinder für das Thema Verkehrssicherheit zu sensibilisieren. 

Zudem wurde im Jahr 2021 ein E-Bike/E-Lastenrad-Verleihsystem getestet. Das Start-up hat im April 2024 Insolvenz angemeldet, sodass das Projekt nicht weitergeführt werden konnte, dennoch wurden wertvolle Erfahrungen in der Projektorganisation gesammelt.

Seit dem Jahr 2020 installiert die Gemeinde im gesamten Gemeindegebiet Radständer und auch an ausgewählten Standorten Radboxen. Bund und Land fördern die Installation finanziell. Außerdem wurden auch zwei Reparaturinseln (Ortsmitte und Familienbad) angeschafft. 

Im Jahr 2023/2024 wurde das Radkonzept für Neunkirchen erarbeitet. Im Ergebnis endet das Konzept mit einem zukünftigen Radwegenetz in Neunkirchen von 30 Kilometern. Die Kosten belaufen sich nach dem aktuellen Baukostenindex auf 9.716.066 Euro. Das Radwegenetzt orientiert sich an den Grundlagen des Kreisradnetzes.

Die Gemeinde Neunkirchen nimmt auch an der bundesweiten Aktion Stadtradeln teil. Im Rahmen der Aktion bietet sie auch immer eine Radtour an, an der auch Beschäftigte aus dem Rathaus teilnehmen dürfen. 

Zudem befinden sich derzeit Mitfahrbänke und sogenannte Parklets, also Stadtmobiliar auf der Fläche eines Parkplatzes, in der Planung (Stand: August 2024).

  1. Herausforderung: Zu wenig personelle Ressourcen 

    Lösung: Unterstützung durch das Ehrenamt suchen – Verbündete in der Verwaltung suchen und einbinden

  2. Herausforderung: Zu wenig Geld

    Lösung: Für viele gute Ideen gibt es eine Förderung

  3. Herausforderung: Gewohnheiten

    Lösung: Auf die Probleme hinweisen, sie mit Projekten und Aktionen sichtbar machen. Der Wandel lässt sich nur gemeinsam gestalten.

  4. Herausforderung – fehlende Unterstützung in der Verwaltung

    Lösung: Überzeugen Sie den/die Bürgermeister/in und machen Sie das Thema zur Chefsache! 

Ausbau der Fußverkehrsinfrastruktur
Quelle: Bildkraftwerk / Laurin Schmid
Icon Maßnahme

Eine hochwertige Fußverkehrsinfrastruktur steigert den Komfort und die Sicherheit des Zufußgehens. So wird die Nahmobilität verbessert und die Erschließung des ÖPNV erleichtert.

Radwegeausbau
Quelle: ewg3D / Getty Images
Maßnahme

Radwegeausbau

Icon Maßnahme

Der Ausbau von Radwegen trägt zu einem attraktiven und sicheren Radverkehr im ländlichen Raum bei. Viele Wege können so mit dem Rad oder in Kombination mit dem ÖV zurückgelegt werden.

Mobilitätskonzept
Icon Instrumente

Als strategisches Planwerk definiert ein Mobilitätskonzept die Rahmenbedingungen der Verkehrsplanung sowie -entwicklung und erarbeitet konkrete Lösungsansätze zu verschiedenen Themen im Verkehrsbereich.

Fußverkehrscheck
Quelle: Bildkraftwerk / Zöhre Kurc
Hilfen zur Umsetzung

Fußverkehrscheck

Icon Hilfen zur Umsetzung

Beim Fußverkehrscheck laufen Bürgerinnen und Bürger eine Route ab und bewerten deren Nutzungsfreundlichkeit. Ziel ist es, Wege für den Fußverkehr sicherer und attraktiver zu gestalten.

2019:

Einführung des kommunalen Mobilitätsmanagements bei der Gemeinde Neunkirchen

2020:
  • Jährliche Teilnahme an der Europäischen Mobilitätswoche
  • Erstellung kommunales Mobilitätsmanagement mit Zielmaßnahmen zur Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität 
2021:
  • Durchführung Fußverkehrs-Check
  • Verleihstationen Velocity Siegerland werden gebaut 
  • Einführung des Schulischen Mobilitätsmanagements
2023:

Erstellung kommunales Radverkehrskonzept

Gemeinde Neunkirchen, 2024.

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Quellvermerk: „Mobilikon 2024"

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