Was ist das Modellvorhaben On-Demand vs. Ortsbus in Neunkirchen-Seelscheid?
Bei dem Vorhaben handelt es sich um ein Modellprojekt, das vom Rhein-Sieg-Kreis als Aufgabenträger für den ÖPNV im Kreisgebiet in Abstimmung mit der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft mbH (RSVG) als Verkehrsunternehmen im Rahmen des Landeswettbewerbs „Mobil.NRW-Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum“ entwickelt wurde und in der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid im Rhein-Sieg-Kreis umgesetzt wird.
Von den insgesamt rund 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern der Gemeinde wohnen jeweils ca. 5.000 in den beiden Hauptorten Neunkirchen und Seelscheid. Beide Orte (Standorte von Mobilstationen) sind mit regionalen Buslinien im 30 Minuten- bzw. 60 Minuten-Takt an die Kreisstadt Siegburg und an Hennef angebunden, wo Anschluss an weitere Bus- und Bahnlinien u. a. nach Bonn und Köln besteht.
Gleichzeitig mit dem Start des Modellprojektes konnte auch das Schnellbusangebot zwischen Seelscheid und Siegburg erweitert werden. Um entsprechende Synergien zu nutzen, bestehen verschiedene Kooperationen auf lokaler und regionaler Ebene: so hat das Projekt u. a. auch den A-Status der REGIONALE 2025 Bergisches Rheinland erreicht (REGIONALE-Handlungsfeld Mobilität).
Im Rahmen des Projektes wird exemplarisch untersucht, wie eine Transformation und Verbesserung des ÖPNV-Angebotes gestaltet werden kann. Dazu wird ein On-Demand-Angebot mit virtuellen Haltestellen in Ergänzung der bestehenden statischen Haltestellen zur Anbindung aller Ortslagen untereinander und an die Hauptorte eingerichtet. Darüber hinaus sorgt eine neue Ortsbuslinie für eine umsteigefreie Verbindung zwischen den beiden Hauptorten und die Anbindung weiterer, bislang nicht erschlossener Ortslagen. Durch die Ausgestaltung des Projektes soll untersucht werden, welches Angebot von den Nutzerinnen und Nutzern besser angenommen wird: die Strategie einer vollflexiblen und digitalen On-Demand-Lösung (diese bedarf einer Anmeldung und Bestellung per App) oder die konventionelle Linienbedienung mit einem Kleinbus (die sich nach festen Fahrplanzeiten richtet). Die Besonderheit des Modellvorhabens liegt im vergleichenden Ansatz und der Übertragbarkeit auch auf andere ländlich geprägte Kommunen.
Der On-Demand-Verkehr „Rhesi“ verkehrt mit einem Fahrzeug im eigens entwickelten „Rhesi-Design“ mit sieben Fahrgastsitzplätzen nach Bestellung und Bezahlung in der produktspezifischen Rhesi-APP (Kooperation mit dem Anbieter ioki) auf Abruf ohne festgelegten Linienweg und ohne feste Abfahrtszeiten zwischen den mehr als 100 Abfahrtstellen im Gemeindegebiet Neunkirchen-Seelscheid.
Dabei werden sowohl die bestehenden physischen Bushaltestellen genutzt als auch neu eingerichtete virtuelle Haltestellen, die in der Rhesi-App einsehbar und vor Ort zusätzlich mit einem Bodenaufkleber gekennzeichnet sind.
Nach dem ersten Betriebsjahr des dreijährigen Modellvorhabens haben sich bereits mehr als 2.500 potenzielle Nutzerinnen und Nutzer für den On-Demand-Verkehr „Rhesi“ registriert. Es konnten bereits mehr als 9.000 Fahrgäste mit Rhesi befördert werden. Mit Stand August 2022 werden monatlich rund 950 Fahrgäste auf etwa 750 Fahrten befördert.
Die liniengebundenen Kleinbusse der RSVG Linie 576 fahren als „Berghüpfer“ im Stundentakt auf einem neuen Linienweg zwischen Neunkirchen und Seelscheid und weiter in das Gemeindegebiet der Nachbarkommune Much. Die eingesetzten produktspezifisch folierten Fahrzeuge verfügen über insgesamt etwa 30 Fahrgastplätze, sie sind barrierefrei, vollklimatisiert und bieten dem Fahrgast WLAN und USB-Lademöglichkeiten.
Die RSVG wurde durch den Rhein-Sieg-Kreis mit der Durchführung beider Verkehre betraut. Sowohl der On-Demand-Verkehr „Rhesi“ als auch die Kleinbuslinie „Berghüpfer“ verkehren an allen Wochentagen (Montag bis Freitag ab 06:00 Uhr, samstags ab 07:00 Uhr, sonntags ab 09:00 Uhr, Sonntag bis Donnerstag bis 22:00 Uhr, Freitag und Samstag bis 01:00 Uhr) und sind in das VRS-Tarifsystem integriert. Zuschläge für die Nutzung der Angebote sind durch den Fahrgast nicht zu entrichten.
Welche Ziele werden mit dem Modellvorhaben On-Demand vs. Ortsbus in Neunkirchen-Seelscheid verfolgt?
Ziel des Modellvorhabens ist es, erstmals im Rhein-Sieg-Kreis Erfahrungen mit einem flexiblen und „rein digitalen“ ÖPNV-Angebot „auf Abruf“ zu sammeln und dessen Möglichkeiten und Chancen mit denen eines klassischen Ortsbusverkehrs nach Fahrplan in ländlich geprägten Räumen zu vergleichen. Es bietet die Möglichkeit, den Busverkehr auf Hauptachsen zu stärken und in der Fläche erstmals ein ergänzendes qualifiziertes flexibles Angebot zur Flächenerschließung bereit zu stellen und dieses „im Reallabor zu erproben“. Im Rahmen des Modellvorhabens wird ein Vergleich der Fahrgastpotenzialabschöpfung des On-Demand-Verkehrs „Rhesi“ und der Kleinbuslinie „Berghüpfer“ stattfinden. Die Ergebnisse sollen auch auf andere ländlich geprägte Kommunen übertragen werden können.
Wie erfolgte die konkrete Umsetzung?
Die Umsetzung des dreijährigen Modellvorhabens startete u. a. pandemiebedingt im August 2021 nach etwa 20-monatiger intensiver Vorbereitung. Die Einführung der neuen Angebote wurde durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitet, die auch während der Projektlaufzeit fortgeführt wird.
Das Projekt wird durch Mittel aus dem Landeswettbewerb „Mobil.NRW – Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum“ des Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen und durch den Rhein-Sieg-Kreis finanziert. Mit der Evaluation aller Modellvorhaben in NRW hat das Land das „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ beauftragt, die Evaluation erfolgt projektbegleitend in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut und der Dortmunder Planersocietät.
Herausforderungen ergaben sich bei der Umsetzung insbesondere durch die erstmalige Einführung eines rein digitalen On-Demand-Verkehrs (u. a. verkehrliche Ausgestaltung, rechtssichere Ausschreibung und Vergabe der On-Demand-Plattform). Zudem musste die Funktionsweise einer On-Demand-Plattform (der APP und des Hintergrundsystems) und des Systems „On-Demand“ insgesamt zunächst auf Seiten des Aufgabenträgers und des Verkehrsunternehmens „gelernt und verstanden“ werden, bevor es konkret ausgestaltet und den Nutzerinnen und Nutzern gegenüber kommuniziert werden konnte. Zur Umsetzung eines On-Demand-Projektes ist eine enge Abstimmung zwischen allen Akteuren erforderlich. Unerlässlich ist dabei die Unterstützung durch den Anbieter der On-Demand-Plattform (hier Kooperationspartner ioki), u. a. beim gemeinsamen Aufbau der On-Demand-Plattform sowie bei der Nachjustierung von Parametern für den „passenden“ Algorithmus. Durch die rein digitale Buchungs- und Zahlungsmöglichkeit im On-Demand-Verkehr („Rhesi“ sieht bewusst keine telefonische Buchung und keine Bar- oder Kartenzahlung im Fahrzeug vor) war bei der Umsetzung eine umfassende Kundenkommunikation erforderlich, um eine entsprechende Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern herstellen zu können.
Förderaufruf zum Modellvorhaben im Rahmen des Landeswettbewerbs "Mobil.NRW - Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum", Entwicklung einer Projektskizze
Auswahl des vom Rhein-Sieg-Kreis entwickelten Projektes als eines von 15 Modellvorhaben in NRW, Beginn der Projektkonkretisierung
Zuwendungsbescheid durch das Verkehrsministerium des Landes NRW
Vorbereitung der Umsetzung des Modellvorhabens durch den Rhein-Sieg-Kreis als Aufgabenträger gemeinsam mit den Kooperationspartnern RSVG als Verkehrsunternehmen und der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid
Kooperation im Rahmen REGIONALE 2025 – das Projekt erhält den „A-Status“
Vorstellung der neuen Mobilitätsangebote (Öffentlichkeitsarbeit, Presseberichterstattung, Ortstermine für Bürgerinnen und Bürger, Politik, Presse, …)
Umsetzungstermin mit Einführung „Rhesi“ und „Berghüpfer“ in der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid, Beginn der dreijährigen Umsetzungsphase des Modellvorhabens
Durchführung der ersten von drei Nutzerbefragungen „Rhesi“ und „Berghüpfer“ im Rahmen der Evaluation des Modellvorhabens
Erneute Vorstellung der Mobilitätsangebote „vor Ort“ im Rahmen der Veranstaltung „Seelscheider Sommer 2022“