Beobachtung von Mobilitätsverhalten

Eine Person dokumentiert zwei Personen, wie diese über die Straße gehen.
Quelle: berlin-event-foto.de/Peter-Paul Weiler

Was ist die Beobachtung von Mobilitätsverhalten?

Die Beobachtung von Mobilitätsverhalten ist eine qualitative Datenerhebungsmethode, um Informationen darüber zu gewinnen, wie Mobilität im Alltag oder in bestimmten Situationen vor Ort funktioniert. Durch die systematische Beobachtung und Analyse von tatsächlichem Mobilitätsverhalten ist es möglich, herauszufinden, welche Herausforderungen oder Bedarfe bei der Zielgruppe bestehen und wo welche Probleme auftreten. Beobachtet werden können sowohl Interaktionen zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern als auch deren Umgang mit bestehender Infrastruktur. Die Methode kann in der Planungs- und Entwicklungsphase von Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität sowie für die Evaluation der Umsetzung eingesetzt werden.

Es gibt offene und verdeckte Beobachtungsverfahren:

  • Offene Beobachtung: Die Beobachtenden wissen, dass sie beobachtet werden. Ihr Verhalten könnte dadurch beeinflusst werden und die Information verzerrt.
  • Verdeckte Beobachtung: Die Beobachtenden wissen nicht, dass sie beobachtet werden. Hier ist abzuwägen, ob es ethisch vertretbar ist, Personen ohne deren Wissen zu beobachten. Da Mobilität meist in öffentlichen Räumen erfolgt und einem bestimmten, zeitlich eingegrenzten Zweck dient (der Erhebung zur Mobilitätverbesserung), ist eine verdeckte Beobachtung in der Regel unproblematisch. In diesem Fall müssen die beobachtenden Personen darauf achten, im Hintergrund zu bleiben.

Welche Vorteile bietet die Beobachtung von Mobilitätsverhalten?

Damit Mobilitätsmaßnahmen zur Zielgruppe passen, ist es wichtig, deren Bedarf zu kennen. Die Beobachtung ist nicht darauf angewiesen, dass die Menschen sich genau an ihr (ggf. unbewusstes) Mobilitätsverhalten erinnern oder ehrlich antworten (statt eine sozial erwünschte Antwort zu geben oder Probleme zu übertreiben, um ihr Interesse deutlich zu machen). Die gesuchten Informationen werden bei der Beobachtung somit weniger verzerrt als etwa bei Befragungen. Außerdem muss die Zielgruppe keine Zeit aufwenden um teilzunehmen, sondern geht ihren Alltagsgeschäften nach. Die Bedürfnisse der Zielgruppe werden so in die Umsetzung von Maßnahmen zur Mobilitätsverbesserung einbezogen, ohne dass sie zu einer Partizipation motiviert werden muss.

Wie erfolgt die konkrete Umsetzung?

Zuerst werden eine Fragestellung und die Rahmenbedingungen festgelegt. Anschließend wird das Setting ausgewählt, wann und wo die Informationen gesammelt werden sollen. Möglich sind sowohl mehrere Beobachtungen an einem, vielleicht besonders wichtigen Punkt (z. B. im Ortszentrum oder vor dem Bahnhof) als auch Beobachtungen an verschiedenen charakteristischen Punkten (z. B. an allen Fußgängerüberwegen rund um die Grundschule). Die Zeiträume der Beobachtung sollten so gewählt sein, dass sie entweder besonders typisch oder besonders kritisch für die Fragestellung sind. Vorbereitend wird definiert, welche Informationen über die zu beobachtenden Personen unbedingt festgehalten werden sollen bzw. worauf besonders geachtet werden soll. Führen mehrere Personen die Beobachtung durch, empfehlen sich Beobachtungsformulare oder eine vorausgehende Abstimmung, sodass die Ergebnisse der Beobachtungen möglichst vergleichbar sind.

Die beobachtenden Personen finden sich zum vereinbarten Zeitpunkt am Beobachtungsort ein und notieren alles, was mit dem Erhebungsziel zu tun hat: z. B. Wer bewegt sich am ausgesuchten Ort? Wie und wie oft treten für die Beobachtung interessante (oder kritische) Situationen auf und wie verhalten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hierbei? Welche Interaktionen oder Konflikte gibt es zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmehmerinnen und -teilnehmer?

Die Beobachtungszeiträume sollten nicht zu lang gewählt werden, damit die Aufmerksamkeit der beobachtenden Personen hoch bleibt. Sind mehrere Beobachtungsrunden geplant, kann die Fragestellung mit jeder Runde auf Grundlage der vorherigen Ergebnisse verfeinert werden, von einer allgemeinen Beobachtung hin zu sehr selektiver Konzentration auf ausgemachte Problemlagen. Wenn beispielsweise die Attraktivitätssteigerung für die Fahrradnutzung das Ziel einer Maßnahme ist, könnten zunächst allgemein die Bewegungen und Interaktionen der Radfahrenden beobachtet werden. Wenn hierbei dann bestimmte Gefährdungssituationen ausgemacht werden können, sollten diese in der wiederholten Beobachtung besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Es ist auch möglich, die Beobachtung durch Kameraaufnahmen zu unterstützen. Für den gewählten Zeitraum werden anstelle von beobachtenden Personen Videokameras am zu beobachtenden Ort installiert. Die oben genannten Hinweise für die Beobachtung gelten dann für die Sichtung des Materials. Beim Aufstellen der Kameras ist es wichtig zu beachten, dass vor jeder Installation von Kameras im öffentlichen Raum die entsprechenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen geklärt werden müssen ( DSGVO , BDSG ). Es ist empfehlenswert, ein solches Vorhaben mit der oder dem Datenschutzbeauftragten der Kommune abzuklären und im Fall der Installation eine Ansprechperson zu benennen, um Bürgerinnen und Bürgern das Vorhaben erklären zu können.

Nach der Erhebung erfolgt die Analyse des gesammelten Materials. Dazu werden Beobachtungen zusammengefasst, gruppiert und Muster gebildet, um typisches Verhalten oder typische Herausforderungen herauszukristallisieren.

Mit der Methode können weder Wunschzustand der Zielgruppe noch ihre Gefühle und Bewertungen erfasst werden, sondern nur deren beobachtbares Mobilitätsverhalten und der Ist-Zustand. Die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe werden so zu einem geringeren Maße erhoben als mit anderen Partizipations- und Erhebungsformaten.

Um ein umfassendes Bild der Situation zu bekommen, müssen ggf. mehrere Beobachtungsrunden durchgeführt und analysiert werden. Da für diese in der Regel jeweils Personal bereitgestellt werden muss, kann die Methode für die Organisatorinnen und Organisatoren aufwendig werden.

Flick, Uwe, 2009: Qualitative Sozialforschung. 2. Auflage, Reinbek bei Hamburg.

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