Bestandsanalyse zur Barrierefreiheit

Sehbehinderte Person mit Blindenstock auf taktilen Fliesen.
Quelle: Motortion / Getty Images

Was ist die Bestandsanalyse der Barrierefreiheit? 

Ziel der Bestandsanalyse ist die strukturierte Erhebung und Bewertung aller Einrichtungen im ÖV-System hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit. Das Ergebnis ist eine Übersicht, aus der sich der Handlungsbedarf zur Erreichung einer vollständigen Barrierefreiheit ableiten lässt. Dabei können die einzelnen Komponenten des Verkehrssystems nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen im Zusammenspiel (z. B. zwischen Haltestelleninfrastruktur und Fahrzeugen) berücksichtigt werden. Die Barrierefreiheit im ÖV musste laut gesetzlicher Bestimmungen bis 1. Januar 2022 umgesetzt werden, die Bestandsanalyse dient hier als Ausgangsbasis für alle weiteren diesbezüglichen Maßnahmen und sollte so früh wie möglich erfolgen. 

Welche Vorteile hat die Bestandsanalyse der Barrierefreiheit?

Gerade in ländlichen Räumen fehlt den ÖPNV-Aufgabenträgerinnen und -aufgabenträgern oftmals ein Überblick über den aktuellen Zustand, zumal die Zuständigkeit für die Haltestellenausstattung normalerweise bei den Gemeinden (Baulastträger) oder Verkehrsunternehmen liegt. Umfangreiche Ortsbesichtigungen sind daher zumeist notwendig und ermöglichen so eine Einschätzung des Ist-Zustandes. In Landkreisen bietet sich für die Ortstermine eine Zusammenarbeit mit den einzelnen Gemeinden an.

Wie erfolgt die konkrete Umsetzung? 

Die Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit ist unter anderem bei der Aufstellung/Fortschreibung des Nahverkehrsplans gefordert. Dazu regelt §8 Abs. 3 PBefG näher: „Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Die in Satz 3 genannte Frist gilt nicht, sofern in dem Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden. Im Nahverkehrsplan werden Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen getroffen."

Die Bestandsanalyse umfasst alle Komponenten des ÖV-Systems:

  • Barrierefreiheit der Haltestellen und Zugänge: Aufbau eines Haltestellenkatasters sowie eines Echtzeitinformationssystems über die Verfügbarkeit von Einrichtungen wie Aufzügen, Rolltreppen etc., damit die ÖV-Nutzerinnen und Nutzer temporäre Einschränkungen der Barrierefreiheit durch defekte Anlagen, Bauarbeiten etc. bei der Reiseplanung berücksichtigen können
  • Barrierefreiheit der Fahrzeuge: Erstellung von Fahrzeuglisten der Verkehrsunternehmen im Bedienungsgebiet mit Angaben zur Barrierefreiheit (z. B. Einstiegsmöglichkeiten, Rollstuhlstellplätze) unter Beachtung des Zusammenspiels zwischen Haltestellen und Fahrzeugen (z. B. bei der Einstiegshöhe)
  • Barrierefreiheit der Informations- und Kommunikationsmittel für Menschen mit Seh-/Hörbehinderung
  • Barrierefreiheit des Tarif- und Ticketingsystems: einfache Verständlichkeit und Nutzbarkeit

Der Status quo wird strukturiert in verschiedenen Kategorien erhoben, z. B. Gruppe 1: nicht barrierefrei, Gruppe 2: teilweise/weitgehend barrierefrei (Bordhöhe z. B. 16 cm an Bushaltestellen + Bodenindikatoren), Gruppe 3: vollständig barrierefrei (Bordhöhe z. B. 18 cm an Bushaltestellen + Bodenindikatoren).

Bei der Bestandsanalyse der Haltestelleninfrastruktur ist eine aufwendige Datenerhebung vor Ort notwendig. Um unnötigen Zusatzaufwand zu vermeiden sollte im Vorfeld klar definiert werden, welche Informationen benötigt werden und wie diese effizient erhoben werden können. Da es keine einheitlich verbindlichen Vorgaben gibt, ist zunächst zu erörtern, welche konkreten Mindestanforderungen vor Ort gelten bzw. welche Zielanforderungen verfolgt werden sollen, sofern diese noch nicht definiert sind. Dabei ist eine Abstimmung zwischen Kommunen, Aufgabenträgerinnen und Aufgabenträgerinnen sowie Verkehrsunternehmen und ggf. auch Ingenieur-/Planungsbüros sinnvoll. Zudem können auch Behindertenverbände und Fahrgastbeiräte einbezogen werden. Aus diesem Zielbild kann dann ein Anforderungskatalog für die einzelnen Bestandteile des ÖV-Systems (Fahrzeuge, Infrastruktur etc.) abgeleitet werden, der als Basis für die Bestandsanalyse dient.

Ausbau der Fußverkehrsinfrastruktur
Quelle: Bildkraftwerk / Laurin Schmid
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Eine hochwertige Fußverkehrsinfrastruktur steigert den Komfort und die Sicherheit des Zufußgehens. So wird die Nahmobilität verbessert und die Erschließung des ÖPNV erleichtert.

Begleitservice
Quelle: Halfpoint / Getty Images
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Beim Begleitservice werden Fahrgäste mit besonderen Mobilitätsanforderungen kostenlos begleitet, um ihnen eine sichere und komfortable Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu ermöglichen.

Ehrenamtlicher Fahrdienst
Quelle: Mobilikon 2024
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Mit ehrenamtlichem Engagement wird das Mobilitätsangebot vor Ort durch den ehrenamtlichen Fahrdienst bedarfsgesteuert erweitert.

Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern im ÖV
Quelle: SrdjanPav / Getty Images
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Die Mitnahme von Fahrrädern im ÖV ermöglicht eine vereinfachte Erschließung der ersten und letzten Meile und verbessert insbesondere in ländlichen Räumen mit größeren Distanzen zu Haltestellen den Zugang zum ÖV.

Seniorentaxi
Quelle: Mobilikon 2021
Maßnahme

Seniorentaxi

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Mit dem Seniorentaxi kann ein Mobilitätsangebot speziell für ältere Menschen in ländlichen Räumen geschaffen und so die Mobilität im Alter gesichert werden.

Verbesserung der Sicherheit im ÖV
Quelle: Bildkraftwerk / Laurin Schmid
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Das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste ist wichtig für die Attraktivität des ÖV. Eine Erhöhung der objektiven Sicherheit stärkt das subjektive Sicherheitsempfinden und fördert die Nutzung des ÖV.

Dynamische Fahrgastinformation
Quelle: berlin-event-foto.de/Peter-Paul Weiler
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Dynamische Fahrgastinformationen geben Auskunft über das momentane Verkehrsangebot. Dabei werden Informationen in Echtzeit übermittelt und tatsächliche Abfahrtszeiten angezeigt.

Querungsanlagen für den Fußverkehr
Quelle: Bildkraftwerk / Laurin Schmid
Icon Maßnahme

Querungsanlagen sind Maßnahmen, die Fußgängerinnen und Fußgängern eine sichere und komfortable Überquerung von Fahrbahnen ermöglichen sollen.

Altersgerechte Mobilstation in Zwickau-Marienthal
Quelle: Stadt Zwickau
Icon Beispiele aus der Praxis

Bedarfsgerechte, partizipative Entwicklung und Implementierung altersgerechter Mobilstationen, die den stationsbetriebenen, aber auch dezentralen autonomen Verleih altersgerechter E-Scooter umfassen.

Mobisaar - Mobilität für alle. Der Begleit-Service im saarländischen ÖPNV
Smart4You - Dein Butler
Quelle: Kreis Soest
Beispiele aus der Praxis

Smart4You - Dein Butler

Icon Beispiele aus der Praxis

Smart4You unterstützt durchgängige barrierefreie Wege- und Angebotsketten im ÖPNV unter Einbindung von touristischen Angeboten. Barrierearme Navigationslösungen und Echtzeitdienste werden in Smartphone-basierende Technologien integriert.

Infrastrukturausbau Seegeritz
Quelle: Stadt Taucha
Beispiele aus der Praxis

Infrastrukturausbau Seegeritz

Icon Beispiele aus der Praxis

Das Projekt in Seegeritz fördert die aktive Mobilität und die Attraktivität öffentlicher Räume durch den Ausbau von Rad- und Fußwegen mit aktiver Bürgerbeteiligung.

Ausbau der Fußverkehrsinfrastruktur im Modellquartier „Marktplatz und Mühlendamm“
Klimaneutrale Nahmobilitätsbrücke über die Eder in Frankenberg
Quelle: Peter Beckmann für die Stadt Frankenberg (Eder)
Icon Beispiele aus der Praxis

Seit April 2022 verbindet eine 60 Meter lange barrierefreie Nahmobilitätsbrücke die beiden Ederufer in Frankenberg. Kern der Brücke ist ein geschütztes Holztragwerk, wodurch das Brückenbauwerk als klimaneutral gilt.

Bedarfsanalyse
Hilfen zur Umsetzung

Bedarfsanalyse

Icon Hilfen zur Umsetzung

Die Bedarfsanalyse untersucht die Mobilitätsbedürfnisse einer Zielgruppe und bildet die Grundlage für die Entwicklung passender Mobilitätsangebote.

Erreichbarkeitsanalyse
Quelle: berlin-event-foto.de/Peter-Paul Weiler
Hilfen zur Umsetzung

Erreichbarkeitsanalyse

Icon Hilfen zur Umsetzung

Erreichbarkeitsanalysen untersuchen, wie gut bestimmte Ziele, z. B. Versorgungseinrichtungen, mit dem ÖPNV erreichbar sind. Sie bilden die Grundlage für ein bedarfsgerechtes Mobilitätsangebot.

Wheelmap: Mapping Aktion zur Rollstuhlgerechtigkeit
Quelle: Eugenio Marongiu / Getty Images
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Bei einer Mapping-Aktion zu Rollstuhlgerechtigkeit bewerten Bürgerinnen und Bürger Orte hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit mit Rollstuhl und tragen das Ergebnis auf einer Online-Karte ein.

GehCheck-App
Quelle: Bildkraftwerk / Laurin Schmid
Hilfen zur Umsetzung

GehCheck-App

Icon Hilfen zur Umsetzung

Mithilfe der GehCheck-App können individuell oder koordiniert Fußverkehrs-Checks durchgeführt werden. Die erhobenen Daten werden niedrigschwellig per App auf einer gemeinsamen Karte gesammelt.

Barrierefreie Bushaltestellen in Schleswig-Holstein. Ein Leitfaden für Baulastträger

Bundesarbeitsgemeinschaft ÖPNV, 2014: Vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV. Zugriff: https://www.landkreistag.de, Themen, Verkehr [abgerufen am 26.11.2024].

Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement, 2019: Barrierefreie Haltestellen Informationsblatt für Nahverkehrspläne Hinweise zur Aufstellung von Investitionsprogrammen. Zugriff: https://www.vrn.de [abgerufen am 26.11.2024].

Ähnliche Umsetzungshilfen

Quelle: berlin-event-foto.de/Peter-Paul Weiler

Aufgabenträgerbefragung

Bei der Aufgabenträgerbefragung werden die Aufgabenträgerinnen und Aufgabenträger zu ihren Handlungsempfehlungen und Sichtweisen über das bestehende Mobilitätsangebot oder geplante Mobilitätskonzepte befragt.

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Businessplan

Ein Businessplan beschreibt im Detail, wie ein neues Mobilitätsangebot vor Ort geschaffen werden soll und berücksichtigt dabei alle für den Geschäftserfolg relevanten Bereiche.

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Entwicklung einer Zielvision

Eine Zielvision setzt den übergeordneten Rahmen für die zukünftige Entwicklung der Mobilität in einer Region und kann für eine aktive Kommunikation genutzt werden.